Goethe und die Parkuhr
„Zwei Seelen wohnen ach in meiner Brust.“ Wohl eines der bekanntesten Zitate von Goethe. Christian Wullschlegers Seelen sind die des Ingenieurs und die des Designers. Bei Goethe geht’s weiter mit: „Die eine will sich von der anderen trennen“. Doch bei Wullschleger ist das Gegenteil der Fall. Er möchte seine Seelen vereinen.
Wullschleger war bei Zühlke zuerst als Ingenieur angestellt, reduzierte sein Pensum um Teilzeit den Master in Produktdesign zu absolvieren und arbeitet jetzt wieder Vollzeit bei Zühlke – als Ingenieur und in der Fokusgruppe Industriedesign.
Das Redesign einer Parkuhr veranschaulicht exemplarisch die Zusammenarbeit von Ingenieur und Designer. Dass eine Parkuhr viel komplexer ist, als sie erahnen lässt, wurde klar, als uns Wullschleger Schritt für Schritt durch den Entstehungsprozess führte. So überraschen neben den Parkenden, der Servicetechniker, das Entleerungsteam und die Polizei als Benutzergruppen. Zudem muss das Gehäuse der Parkuhr Dieben und Vandalen standhalten. Dazu kommen technische Einschränkungen. Ein Beispiel: Die Parkuhr ist solarbetrieben. Daher ist ein Touchscreen wegen seines hohen Energieverbrauchs keine Option. Also hilft man sich mit einem Display und dazugehörigen SoftKeys. "Das ist frustrierend im Zeitalter von iPhone & Co, aber unumgänglich", meint Wullschleger dazu.
Für technische Probleme lassen sich schnell technische Lösungen finden. Doch der Designer schaut weiter. Er schaut auf den Menschen und gestaltet für die technischen Probleme technische Lösungen, die zusätzlich den Bedürfnissen aller Nutzergruppen entsprechen. Also ein Display, so gestaltet, dass die teils wechselnden Funktionen der Softkeys für den Parkenden ebenso schnell lesbar sind, wie für die Polizei die Zahlungsanzeige. Auch wenn die Parkuhr auf den ersten Blick eine technisch orientierte Gestaltung aufweist, so ist sie schlussendlich genau deshalb solide designt.
Zeigt dieses Beispiel nun ob seine Situation positiv oder negativ ist?
Er stellt klar: Um einen positiven Effekt zu erzielen, muss trotz Vereinen der beiden Seele, seine Rolle am Projekt klar sein. Denn wenn er bei einem Projekt beides wäre, würde er mit sich selbst schneller Kompromisse eingehen. Doch die Chance die diese Fokusgruppe in einer grossen Firma für ihn bietet, ist ihm bewusst: Auch als "relativ unerfahrener Designer kann er so an vorderster Front für das Design kämpfen.“
Christian Wullschleger war am 3. April 2018 zu Gast in der Dienstagabendveranstaltung der Fachrichtung Industrial Design.
Text: Anais Nüssli, Bachelor-Studentin im 4. Semester.